Es steht und fällt mit dem Teamspirit
Bei einem Vorhaben dieser Größenordnung sind Erfahrung, Können, Vorbereitung und das richtige Equipment von essenzieller Bedeutung. Doch noch wichtiger ist die Wahl des richtigen Partners. Über 71.645 Höhenmeter in 271 Stunden durch extremes, alpines Terrain zu klettern und zu wandern, sowie über 61 Stunden unter widrigsten Bedingungen zu fliegen – das kann man nicht mit irgendjemandem machen. Für dieses Abenteuer kam Peter als erstes Chrigel in den Sinn. Ihre perfekte Harmonie im Team hatten sie bereits bei früheren alpinen Wettkämpfen unter Beweis gestellt. Jeder kennt die Stärken und Schwächen des anderen, jeder gibt sein Bestes – ohne Druck, sich etwas beweisen zu müssen.
Von der Vision zur Realität
Ein Lebenstraum wird Realität, wenn man Regeln und Deadlines hinzufügt. So erschaffen sich Peter und Chrigel ihr eigenes Abenteuer. Zehn einfache und pragmatische Regeln definieren sie - nicht, um es schwieriger zu machen als es ohnehin schon ist. Sie schaffen sich damit eine Basis, um ein kreatives Abenteuer zu kreieren, auf das sie bei Erfolg mit Stolz zurückblicken können. Ob sie es nun am Ende schaffen oder nicht ist zweitrangig. Ob es ein Rekord wird oder nicht, ebenso. Der Weg selbst ist also nicht nur sprichwörtlich das Ziel. Und bei 82 Gipfeln muss das auch so sein.
Routiniertes Abenteuer?
Ein Abenteuer ist für Chrigel ein grosses Rätsel, das es zu lösen gilt. Acht mal hat er bei den Red Bull X-Alps bereits die beste Lösung finden können; die Alpen kennt er mittlerweile wie seine Westentasche. Doch auch bei ihm setzt irgendwann eine gewisse Wettkampfmüdigkeit ein und die im Frühjahr 2024 diagnostizierte Borreliose brachte Chrigel eine neue Perspektive auf das Fliegen. Selbst das härteste Abenteuerrennen der Welt ist nach all den Jahren nicht mehr ganz so herausfordernd wie beim ersten Mal. Warum also nicht etwas ganz Neues wagen? Wie wäre es, wenn man nochmal etwas zum allerersten Mal machen kann, keine Stoppuhr liefe, dafür geht es aber eine Etage höher? Hike & Climb & Fly im hochalpinen Terrain als eine Herausforderung auf völlig neuer Ebene.
Eine neue Dimension
Nach Chrigels Definition beginnt Abenteuer dort, wo der Plan endet. XPeaks hat dieser Definition mehr als nur entsprochen, es fügte ihr sogar noch eine neue Dimension hinzu. Hochalpines Fliegen ist aufgrund der Wetter- und Geländebedingungen nochmal eine ganz andere Hausnummer. Die Ungewissheit ist für Chrigel ein elementarer Bestandteil von Abenteuer – dieser Faktor ist bei diesem Projekt höher als bei jedem Wettkampf. Schon auf dem Aletschhorn realisieren die beiden, dass das Projekt gigantische Ausmasse hat. Es war der erste Gipfel, die Herausforderung gross und da begreifen sie: «Jetzt kommen ja noch 81 weitere Gipfel.» Das Big Picture ist oft viel zu gross, in kleineren Schritten vorangehen ist die Devise.
Der Genuss der Ungewissheit
Wer die Ungewissheit als Quelle der Inspiration erkennt, lernt sie zu geniessen. Nicht nur die alpine Höhe, sondern auch das Fliegen bringt eine neue Dimension in die Besteigung der 4000er. Vor dem Start grosse Pläne schmieden funktioniert hier nicht. Die richtige Entscheidung ergibt sich oft erst in letzter Minute, man weiss nicht genau wo man landen wird oder wie weit man es schaffen wird. Genau dieser Faktor macht es so spannend. Weil alles möglich ist: Aufdrehen und am nächsten Gipfel toplanden, mit Gleitzahl 3 gezwungen sein im Lee auf einem Gletscher zu landen oder mit 28 m/s abspiralen.
Der Reiz der Kontraste
Wo es auf der einen Seite bergsteigerisch und fliegerisch auf höchstem Niveau zugeht, so gibt es auch immer wieder Momente, die die beiden auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Viele Berghütten haben so spontan keinen Platz mehr frei, sodass Peter nebenbei auch noch zum Verhandlungsprofi wurde. Avocados gegen Schlafplätze. Auch die Restaurants scheren sich nicht um das rekordverdächtige Abenteuer, Ladenschluss ist Ladenschluss. So wagt Chrigel spät abends beispielsweise noch das kulinarische Abenteuer namens Automaten-Pizza.
Gratstress vs. Startstress
Unter dem Motto «mindestens einer von uns soll Freude haben», ergänzen sich Peter und Chrigel nicht nur in ihren Stärken, sondern auch in den Schwächen. Oft sind es die Starkwindstarts auf kleiner Fläche in steilem Gelände, die Peter alleine wohl nicht wagen würde und bei denen sich Chrigels Ruhe und Unterstützung auszahlen. Die Rollen tauschen sie dann auf schmalen, eisigen Graten: Hier erlebt man einen entspannten Peter im Lead und einen Chrigel, der sich manchmal Schöneres vorstellen könnte als kurz nach Mitternacht in ungemütlichen Bedingungen einen Gipfel-Push in der Mont Blanc Region zu unternehmen. Das Motto des Projekts ist also sowohl ernster als auch wichtiger als man zuerst meinen könnte.
Das eigene Ego zuhause lassen
Eine der grössten Gefahren bei einem Projekt dieser Grössenordnung ist am Ende vielleicht das eigene Ego. In 51 Tagen haben Chrigel und Peter immer wieder gespürt, dass es für den Erfolg und die Sicherheit essentiell ist, das Ego hintenanzustellen. Einen B-Schirm fliegen, obwohl man sonst eigentlich Hochleister fliegt? Sicher. Sich als Bergführer vom Gleitschirmprofi am Seil ziehen lassen, weil die Kraft nachlässt? Ohne Bedenken. Zugeben, dass der nächste Schritt eine Nummer zu viel ist? Auf jeden Fall. Einen Grund, sich für etwas zu entschuldigen, gibt es für die beiden von vornherein nicht. Sie wissen, dass jeder sein Bestes geben wird. Und genau so war es.
Das Projekt
Die höchsten und technisch schwierigsten Gipfel des Alpenraums: Es war Chrigel und Peters Mission, innerhalb von 72 Tagen alle 82 Viertausender der Alpen zu besteigen. Diese Berge erfordern nicht nur mehrjährige Erfahrung und hervorragende Kletterfähigkeiten, sondern auch extreme körperliche Ausdauer und mentale Stärke. Auf ihren Touren waren die beiden komplett auf sich gestellt – ohne externe Unterstützung. Nur zu Fuss und fliegend unterwegs.
Die Bedingungen in den Hochalpen sind unberechenbar: Schneefelder, steile Felswände, Gletscher und plötzliche Wetterumschwünge - auf den Gipfeln herrschen oft starker Wind, eisige Temperaturen und dünne Luft, die die Anstrengung weiter verschärfen. Lange Etappen, schweres Gepäck und die Flugbedingungen der hochalpinen Landschaft fordern auch mentalen Durchhaltewillen.
Dieses Projekt verschiebt die Grenze des Machbaren im Bergsteigen sowie Climb & Fly – ein Ansatz, der so zuvor noch nie umgesetzt wurde. Nach 10 Tagen hatten sie bereits 30 Gipfel geschafft und schliesslich alle 82 Gipfel in 39 aktiven Tagen.
Die Statistik
Projektdauer 51 Tage: 39 Tage aktiv & 12 Ruhetage - 10 davon zuhause infolge Schlechtwetter
Gewandert / geklettert: 563km / 70708hm in 271 Stunden
Geflogen: 60 Flüge mit 59 Stunden Flugzeit. 1032km Distanz
Die Route
Wieso Chrigel und Peter den THETA ULS gewählt haben
Die wohl meistgestellte Frage: Warum fliegt Chrigel Maurer einen Mid-B Schirm anstelle des OMEGA ULS? Für ein solch anspruchsvolles Projekt im alpinen Hochgebirge mit äusserst anspruchsvollen Start- und Landeplätzen, turbulenten Bedingungen aufgrund zu erwartenden Leesituationen usw. hat sich das XPeaks Team letztendlich zugunsten einer Ausrüstung mit einfacherem Handling und mehr Sicherheitsreserven entschieden. Das Kriterium der reinen Leistung wurde dabei weniger gewichtet.
Die Ausrüstung
Chrigel Maurer hat bereits acht Mal die X-Alps gewonnen, dreimal in Serie den Gesamtweltcup und wurde Europameister. "Der Adler vom Adelboden" ist jedem Gleitschirmpiloten ein Begriff. Sein enormes Wissen gibt er in unzähligen Vorträgen, über die von ihm gegründete X-Alps Academy oder anlässlich von persönlichen Coachings an Piloten und Nachwuchstalente weiter.
Peter ist Bergführer, Aviatik-Ingenieur, Autor ehemaliger Wettkampfpilot. Neben dem Fliegen begeistern ihn vor allem Erstbegehungen von Fels- und Eisrouten abseits der Massen.