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Surrealismus des Finsteraarhorns

Überquerung der Berner Alpen

Eine Alpenüberquerung vom Wallis ins Berner Oberland per Gleitschirm ist für viele Pilotinnen und Piloten ein Lebenstraum. So auch für den Fotografen Andy Busslinger, der schon lange zum Kreis derer, die diese Herausforderung meistern konnten, gehören wollte. Eingebettet in eine atemberaubende Gletscherwelt, umsäumt von hohen Gipfeln erhebt sich der höchste Punkt der Berner Alpen auf 4274 m. Ein Ort, der selbst zu Fuss mühsam zu erreichen ist, übt eine besondere Faszination aus. Weil er unerreichbar wirkt. Als sich schliesslich nach Jahren des Wartens endlich die idealen Bedingungen für einen Überflug abzeichnen, ist Andy klar: Der Traum ist jetzt zum Greifen nah.

Der Jackpot

Seit Jahren hat Andy Busslinger ein Auge auf die Vorhersagen. Manchmal gibt es Sommer, da passt keine einzige Prognose zum Traum vom Überflug des Finsteraarhorns. Und jetzt sieht alles perfekt aus. Ein Sonntag mitten im August. Hohe Wolkenbasis, schwacher Höhenwind. Der Plan ist schnell gefasst. Früh morgens geht es mit Mimo Moratti mit dem Zug nach Fiesch. Bevor sie die Zivilisation verlassen, machen die beiden erfahrenen Piloten Rast in einem Restaurant auf der Fiescheralp und beobachten das typische Getümmel in der Luft, für welches das Wallis so bekannt ist.

„Das Ziel war von vornherein klar: Über das Finsteraarhorn fliegen. Nicht nur drum herum.“

Andy Busslinger

Später Start

Wofür das Wallis weniger bekannt ist: schwache Thermik. Aber heute ist so ein Tag. Die Basis steigt nur langsam an, Andy und Mimo haben deshalb keine grosse Eile loszukommen. Am Startplatz sind ausser ihnen nicht mehr viele Startende anzutreffen. Um Höhe zu machen, müssen die beiden jetzt Geduld beweisen – dafür, dass sie sich hier in hochalpinem Gelände bewegen ist die Luft überraschend geschmeidig. Vom Eggishorn geht es schliesslich über das grosse Wannenhorn bis zum Triftgrat, wo sie dann den Fieschergletscher überqueren. Da liegt es vor ihnen: Das Finsteraarhorn.

Das Filetstück der Alpen

Der Gipfel, der alles überragt. Den man vom Furkapass, Berner Oberland und Tessin aus bestaunt und den so viele auf ihrer Bucket List haben. Umgeben von den grössten Gletschern der Alpen, fordert das Finsteraarhorn seinen Preis. Wer es zu Fuss erreichen will, muss sich seinen Weg über mehrere Tage bahnen. Das Wetter lässt den Zustieg aus der Luft nur selten zu. Man hat fast das Gefühl, dass man mit dem Gleitschirm kaum dorthin kommen kann. Die Gletscherwelten flössen einem einfach Respekt ein.

"Ich hatte kaum eine Vorstellung davon, wie es wirklich ist über so eine Gletscherwelt zu fliegen. Mir war vorher gar nicht bewusst, was für eine gewaltige Pyramide das Finsteraarhorn vom Wallis aus darstellt."

Andy Busslinger

Die Alpenquerung

Tiefe Gletscherspalten, Felsstürze, Abgeschiedenheit, kein Handynetz. Keine Umgebung, in der man landen will. Sich vorher einen Plan B zurechtlegen und den Point of No Return im Blick behalten ist hier ein Muss. Letztendlich trägt es gut. Cumuli aus dem Bilderbuch. Es trägt so gut, dass Andy und Mimo die meiste Zeit auf Höhen zwischen zwischen 3500 m und 4000 m fliegen. Knapp eine Stunde geniessen sie den Flug um den Gipfel des Finsteraarhorns, bis sie ihn schliesslich nach einigen Versuchen überhöhen. Der Moment, von dem Andy so lange geträumt hatte.

"Der Flugtag ist dann perfekt, wenn der Flug spannend war und tolle Fotos entstanden sind. Das war an diesem Tag definitiv ein Traumtag."

Andy Busslinger

Zurück in die Realität

Mit dem Überflug queren sie die Alpen und halten Kurs auf Interlaken. Meter für Meter fliegen sie aus der hochalpinen Abgeschiedenheit raus in Richtung Zivilisation. Zurück in Interlaken wird der Surrealismus der Berner Alpen erst so richtig deutlich. Eben noch in einer anderen Welt, finden sich Andy und Mimo wenig später im Tourismuszentrum der Region wieder. War das vielleicht doch nur ein Traum?

"Der Kontrast nach der Landung ist extrem. Plötzlich steht man wieder bei 33 Grad auf dem Boden, nachdem man kurz vorher noch von so viel Eis umgeben war. Das muss man erstmal verarbeiten."

Andy Busslinger

Andys Ausrüstung

Über Andy

Andy Busslinger

Andy gilt als einer der renommiertesten Gleitschirmfotografen und ist Lehrer vom Beruf. In seiner Freizeit ist er am liebsten selbst beim Gleitschirmfliegen.